Was wäre, wenn wir den Tod einkalkulieren. Wenn wir abends ins Bett gehen und sagen: Wie schön, dass ich heute nicht gestorben bin! Wenn wir uns diebisch freuen, dass wir nicht
gestorben sind und keiner unserer Liebsten? Wenn wir dieses Gefühl der überwältigenden Freude erleben, weil es uns gibt. Wie schön ist das denn? Und dann DANKE sagen. Zu uns, zum Leben, zu
unseren Liebsten, zu Gott, zum Universum, zu dieser Kraft, die größer ist als wir Menschen. Und wir lernen, dass unser Leben so leicht und so schnell zu Ende sein kann: Ja, der Gedanke tut sehr
weh. So weh, wie wenn mir im Krieg eine Bombe aufs Hirn fällt oder ich in Indien leben würde ohne Geld für Medikamente gegen Lepra.
Was wäre, wenn er dann doch in unser Leben tritt? Und wir ihn dann begrüßen würden: „Ja - lange, sehr lange Ausatmung - „jetzt bist du da, guter Tod.“ - nochmal eine sehr lange
Ausatmung - „Jetzt trifft es mich, meinen Partner, mein Kind, meine Katze… .“ All das, was ich nicht herzugeben bereit bin.
Und was wäre, wenn wir nicht mehr so täten, als gehörte uns das Leben, ein Partner, ein Kind, eine Katze? All das sind Leihgaben, sind Geschenke, sind Möglichkeiten, um die Zeit unseres
Gastbeitrages auf der Erde sinnvoll und mit Liebe zu meistern.
Was wäre, wenn wir uns das trauen würden? Und es dann irgendwann so sagen können, wie Claudius schrieb und Schubert vertonte in „Der Tod und das Mädchen“: „Bin Freund und komme
nicht zu strafen. Sei gutes Muts! Ich bin nicht wild, sollst sanft in meinen Armen schlafen!“
Was wäre, wenn wir dann selig lächeln könnten, zwischen dem Weinen und wir danke sagen für die Zeit, die möglich war. Wir hätten die Hoffnung auf ein Wiedersehen. Und bis dahin
lebten wir in dem, was möglich ist, mit diesem Gefühl, dass die Toten nicht von uns weg, sondern in uns hinein sterben. Wie schön könnte so sterben sein. Für alle, aber vor allem für die, die
gehen müssen und schon bereit sind, aber noch warten, bis es gar nicht mehr geht, damit ihre Liebsten es begreifen.